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9    Gelochtes Papier

Einstieg In der Frühzeit der Computertechnik waren Rechenzeit und Speicherplatz knapp und teuer. Man konnte es sich deshalb nicht leisten, Daten über eine Tastatur direkt in den Rechner einzugeben. Man fand ein Medium zum Puffern dieser Eingabe, das gleichzeitig preiswert "größere" Datenmengen speichern konnte: Papier. Zwei Ausprägungen mit speziellen Vor- und Nachteilen für verschiedene Anwendungsgebiete setzten sich schließlich durch und wurden genormt: Lochstreifen und Lochkarte.
Beide wurden ziemlich gleichzeitig abgelöst durch preiswerte Halbleiterspeicher zur Pufferung und durch Floppy Disks für die Massenspeicherung.
Summary In the early stages of computers machine time and memory were limited and expensive. Inputting data immediately from the keyboard would have been too wasteful. A medium was used therefore for buffering which was also cheap enough to store "bigger" amounts of data at low cost: paper. Two types found their place and were specified: punched tape and punched cards.

9.1   Lochstreifen

9.1.1 Definition und Bedeutung

Lochstreifen sind gelochte Bänder, meist aus Papier, zur schnellen Ein- und Ausgabe von Zeichen bei Fernschreibmaschinen und Rechenanlagen, auch zum Steuern von Werkzeugmaschinen...
(aus einem technischen Lexikon von 1971)

Sie wurden zunächst in der Fernschreibtechnik eingesetzt, um die Eingabe zu puffern und wertvolle Übertragungszeit zu sparen. Gleichzeitig konnte man gesendete und empfangene Nachrichten in maschinenlesbarer Form preiswert und nichtflüchtig speichern. Elektromechanische Lochstreifenstanzer und -leser standen deshalb in ausgereifter Technik und aus Großserienfertigung zur Verfügung, als die Computertechnik Eingabe- und Speichergeräte benötigte. Mit steigender Verbreitung wurden die Geräte dann für die speziellen Anforderungen am Computer weiterentwickelt: Durch elektronische Abtastung wurden sie wesentlich schneller.
Im Rechnerbereich wurden Lochstreifen (preiswerter als Lochkarten) vor allem im wissenschaftlichen Bereich zur Eingabe und zur Speicherung von Rechenprogrammen und ihren Ergebnissen eingesetzt. Den Nachteil des zeichen-seriellen Zugriffs (der manchmal auch ein Vorteil sein kann) nahm man dafür in Kauf.

9.1.2 Medium und Codierung

Aus Aufwandsgründen schränkte man den verwendeten Zeichensatz zunächst auf 52 Zeichen ein (später als ALGOL-Code erweitert auf 55 Zeichen). Um mit 5 bit/Zeichen auszukommen, teilte man den Zeichensatz in zwei Gruppen:
  • Buchstaben (ohne Unterscheidung zwischen Klein- und Großbuchstaben)
  • Ziffern und Sonderzeichen
Zwei zusätzliche Lochgruppen dienten dazu, von einer Gruppe zur anderen umzuschalten:
  • "Buchstabenumschaltung" zur Aktivierung der Buchstabengruppe
  • "Ziffernumschaltung" zur Aktivierung der Zifferngruppe
Drei weitere Sonderzeichen sind in beiden Gruppen vorhanden
  • Leerzeichen
  • Wagenrücklauf
  • Zeilenvorschub
Die beiden letzten benötigte man, um empfangene Texte auf normales Papier ausdrucken zu können.
Man hatte durch statistische Untersuchungen festgestellt, dass durch Einführung der Umschaltzeichen weniger zusätzlicher Aufwand entstand als wenn man grundsätzlich 6 bit/Zeichen verwendet hätte.
Der daraus entstandene Code wurde als Internationales Telegraphenalphabet Nr.2 genormt (s. Abb. 9-1).
Zur Aufnahme dieser 5 bit-Zeichen wurde ein Papierstreifen mit einer Breite von 17.8 mm (=0.7") genormt. Die Lochungen sind in fünf Datenspuren parallel zur Papierkante angeordnet. Zwischen der dritten und vierten Datenspur verläuft eine sechste "Taktspur", die zur Synchronisierung dient. Alle Lochungen sind kreisrund und liegen in einem Raster von 2.54 x 2.54 mm. Die "Datenlochungen" haben Durchmesser von 1.8 mm, die "Taktlochungen" 1.2 mm. Für die Speicherung bedeutet ein Loch logisch 1 und ein nicht vorhandenes Loch logisch 0. Jede Zeile (senkrecht zur Papierkante) enthält ein Zeichen. Zwei Lochkombinationen haben spezielle Funktionen:
  • 00000 (kein Loch) wird nur im Vor- und Nachspann verwendet, der zum Beschleunigen und Bremsen vorhanden sein muss.

  • 11111 (lauter Löcher) wird bei der Auswertung ignoriert. Die Kombination dient zum Löschen durch "Überlochen" versehentlich falsch eingegebener Zeichen.

Für die serielle Übertragung in der Fernschreibtechnik wurden jedem Zeichen ein 0-Startbit voran und mindestens 1.5 1-Stopbits nachgestellt. (Übertragene Bits werden korrekterweise als "Schritte" bezeichnet). Eine Schrittfrequenz von 50 (75, 100) Baud erlaubte also die Übertragung von 6.7 (10, 13) Zeichen pro Sekunde. Für die physikalische Übertragungsschicht wurden Stromschleifen (s. Abschnitt 10.4) verwendet, die deswegen auch als Teletype- oder TTY-Schnittstellen bezeichnet werden. Stromfluss ist der logischen 1 zugeordnet. Zur galvanischen Trennung wurden damals Relais verwendet, heute wird dieser Schnittstellentyp durchgehend mit Optokopplern realisiert.
Für die Anwendung in der Computertechnik waren die 52 Zeichen des 5 bit-Codes nicht ausreichend, die zwischengestreuten Umschaltzeichen hinderlich. Man verbreiterte den Lochstreifen auf 25.4 mm und ordnete darauf acht Datenspuren an, mit sonst gleichen Abmessungen (Lochdurchmesser, Raster, Taktspur). Zur Codierung eines Zeichens verwendete man 7 bit und konnte damit immerhin 128 Zeichen unterscheiden. Man führte einen neuen Codesatz ein und normte ihn als CCITT-Alphabet Nr.5, weltweit bekannt als "ASCII-Code" (s.Anhang A Zeichensätze). In Deutschland existiert dafür seit 1974 die DIN 66003. Die achte Spur auf dem Lochstreifen diente zur Datensicherung und ergänzte das Zeichen auf eine gerade Anzahl von Löchern (gerade Parität; parity even)

9.1.3 Lochstreifenleser

Lochstreifenleser gab es in vier verschiedenen Ausführungen. Die zwei älteren elektromechanischen Typen waren langsam und praktisch nur für Fernschreibanwendungen mit 5 bit-Code verwendbar:
  • Bei Kontaktlesegeräten werden Fühlhebel durch Federdruck in die Lochungen geschwenkt. Mit ihrer Rückseite betätigen sie dann Auswertekontakte.

  • Bei Bürstenlesegeräten wird der Streifen unter leitenden Bürsten entlanggeführt. Ihnen gegenüber stehen Kontaktstifte, die durch die Löcher hindurch von den Bürsten kontaktiert werden.

Zwei elektronische Ausführungen konnten wesentlich schneller arbeiten und wurden an Computern verwendet:
  • Kapazitive Lesegeräte nutzten den Unterschied der Dielektrizitätskonstanten von Papier und Luft aus (dieser Typ wurde nur von einem Hersteller realisiert).

  • Fotoelektrische Lesegeräte enthielten Glühlämpchen und Fotozellen, die bei Löchern mehr Strom lieferten als bei Beleuchtung durchs Papier. Problematisch waren hier Papierstaub sowie Wärmeentwicklung und begrenzte Lebensdauer der Glühlampen.

9.2   Lochkarten

9.2.1 Definition, Bedeutung

Karten aus Spezialpapier zur maschinellen Eintastung von Lochungen, die nach Anzahl und Lage in einem Feld von 80 Spalten bestimmte Zahlen und Buchstaben, die maschinenlesbar sind, ausdrücken. Lochkarten mit zusätzlichen schriftlichen Angaben heißen Verbundkarten.
(aus einem technischen Lexikon von 1971)

Seit etwa 1880 gab es mechanische Spezialrechner zur Bearbeitung statistischer Daten. Nach ihrem Erfinder wurden sie Hollerith-Maschinen genannt. Zur Eingabe von (rein numerischen) Informationen und zu ihrer Speicherung wurden Karten in der Größe eines Dollarscheins verwendet, in die Löcher gestanzt wurden. Die Lage der Löcher bestimmte die Information. Zum Auslesen wurden die Karten rein mechanisch abgetastet.
Später wurde dieser Kartentyp, ähnlich wie Lochstreifen, zur Eingabepufferung und zur Massenspeicherung für elektronische Rechenanlagen verwendet. Lochkarten sind etwas teurer als Lochstreifen, haben aber den Vorteil, dass sie sich sortieren, filtern und einzeln ersetzen lassen. Demzufolge lag ihr Einsatzschwerpunkt auch mehr im kommerziellen Bereich bei der Verarbeitung von Ordnungsinformation (Lohndaten, Lagerverwaltung usw.).

9.2.2 Abmessungen und Codierung

Im Laufe der EDV-Geschichte gab es viele verschiedene Lochkartenformate, ein Format hatte jedoch schließlich die weitaus größte Verbreitung und wurde in der DIN 66004 genormt. Diese Karten haben Außenabmessungen von 187.3 x 82.55 mm (=7 3/8 x 3 1/4 Zoll). Die Lochungen sind rechteckig (3.17 x 1.42 mm), ihre Mittelpunkte sind auf einem gedachten Raster von 80 Spalten und 12 Zeilen angeordnet. Bei einem Spaltenabstand von 2.21 mm und einem Zeilenabstand von 6.35 mm haben die Mittelpunkte der äußersten Lochungen Abstände von 6.35 mm zu den Kartenrändern. Zur eindeutigen Bestimmung der Kartenorientierung ist die linke obere Ecke schräg abgeschnitten.
Zunächst enthielten Lochkarten 10 Zeilen zur Aufnahme von Lochungen. Die Zeilen waren von 0 bis 9 durchnummeriert. Jede Spalte konnte maximal 1 Loch aufnehmen und damit eine Dezimalziffer im 1 aus 10 Code. Für den Einsatz an Rechenautomaten wurden 2 weitere Zeilen 11 und 12 aufgenommen und außerdem bis zu 6 Lochungen pro Spalte zugelassen. Man definierte 256 verschiedene Lochkombinationen und konnte damit 8 bit-Zeichensätze codieren (DIN 66004). Abb. 9-2 zeigt, wie die Lochkombinationen auf 8 bit-Codierung abzubilden sind.

9.2.3 Lochkartenleser

Zum Stanzen und zum Auswerten wurden die Karten von einem Eingangsstapel einzeln zugeführt, bearbeitet und auf einen oder mehrere Ausgangsstapel abgelegt. Als Verarbeitungsschritte gab es beispielsweise
  • Sortieren: Aufteilung nach Kartenkriterien in mehrere Stapel
  • Filtern: Ausscheiden von Karten mit bestimmten Merkmalen
  • Mischen: Zusammenführen mehrerer vorsortierter Stapel
  • Duplizieren: Karten stanzen, die den gesamten oder einen Teil des Inhalts einer Musterkarte aufnehmen
Die technische Entwicklung der Leser erfolgte in etwa parallel zu den Lochstreifenlesern. Verwendete man zunächst langsame Geräte, die über Bürsten elektrisch leitende Verbindungen durch die Lochungen hindurch herstellten, wurden diese später durch schnellere optoelektrische Einrichtungen abgelöst. Bei einer Ausführung wurden beispielsweise 80 Glasfasern von einer Lichtquelle gespeist: durch 80 Fotoempfänger konnte so eine gesamte Zeile auf einmal ausgewertet werden.